Mittwoch, 6. November 2013

Was passiert, wenn man mit 13 Jahren beschließt, kein Fleisch mehr zu essen...

Alle Wahrheit durchläuft drei Stufen, sagt Arthur Schopenhauer: "Zuerst wird sie lächerlich gemacht oder verzerrt. Dann wird sie bekämpft. Und schließlich wird sie als selbstverständlich angenommen."

Ich denke ich war neunzehn, als ich diese Zeilen das erste Mal hörte. Und damit verschwanden einige Fragezeichen aus meinem Kopf, die sich die Jahre davor manifestiert hatten.
Warum wird man erst einmal beschimpft, beleidigt, lächerlich gemacht, wann man Dinge tut, die von der Mehrheit der Menschen nicht gut geheißen werden? Warum? Warum? Warum?

Diese Frage dominierte über Jahre mein Denken.

Dreizehn Jahre war ich, als ich von einem Tag auf den anderen beschloss, kein Fleisch mehr zu essen. Nie wieder sollte es passieren. Ich wohnte unter einem Dach mit einer Hündin, die beste Freundin und immer für mich da war, sogar wenn ich mal Dampf ablassen musste. Und da schien es mir eine logische Konsequenz, auch keine anderen Tiere zu essen. Weil, dachte ich mir: Wo bitte ist der Unterschied zwischen einer Kuh und einem Hund???

Es war nicht so, dass es mir leicht fiel. Es war eine Entscheidung aus ethischen Gründen. Und so stand ich mit tropfender Zunge vor dem Grill, auf dem das Hähnchen (meine damalige Leibspeise) brutzelte. Zweifler gaben mir maximal zwei Wochen. Und gezweifelt haben so gut wie alle. Aber der Wille war eisern.

Ab diesem Tage erfasste mich generell die Aktivistenkraft. Und im Zeitalter des Nicht-Internets brachte ich unermüdlich Unterschriftenlisten gegen tschechische Steeplechase Pferderennen mit tödlichem Ausgang für die Pferde, gegen Robbenjagd, gegen Käfighaltung von Hühnern.... mit in die Schule. Die Liste war lang und ich ging meinen Klassenkollegen ordentlich auf die Nerven. Ich erntete Hohn und Spott. Zwar alles nicht in einem echten Mobbing-Format, aber trotzdem war es eine harte Zeit.

Meine größte Triebkraft war die Gerechtigkeit. Ich ging davon aus, dass, wenn jemand die Argumente hören würde, verstehen müsste, warum das alles gegen das Leben und damit verabscheuungswürdig war. Aber es wurde mir nicht zugehört. Das war das größte Problem. Sogar Menschen, die mir eigentlich nahe standen, zogen es ab dem Zeitpunkt meines Vegetariertums vor, Witze über meinen Salat zu machen. Davor war Salatessen eigentlich keine große Sache. Witze, Häme, Spott und Hohn. Hin und wieder auch richtig aggressive Tiefschläger, die glaubten mich durch Beschimpfungen aus ihrem Gesichtsfeld zu befördern.

Das alles erzeugte in mir eine große Portion Aggression darüber, dass keiner die Wahrheit wissen wollte. Und viele Tränen flossen. Tausende Tränen, weil ich erkennen musste, auch die beste Intention reicht nicht immer aus, um ans Ziel zu kommen.

Trotzdem. Die abwertenden und ablehnenden Reaktionen bestärkten mich noch mehr, nie wieder Fleisch anzurühren. Wut ist eine echt gute Sache. Eine unbeschreiblich berauschende Kraft, wenn sie in die richtigen Kanäle fließt.

Manchmal floß sie auch in die falschen Kanäle und ich tobte wie verrückt. Ja, Herrgotts Zeiten, ich war dreizehn!

Mittlerweile bin ich 34. Das alles ist lange her. Beim Schreiben ertappe ich mich, wie eine Träne kullert. Die Erfahrungen haben mich geprägt.

Viele Menschen reagieren nach wie vor wie vor zwanzig Jahren. Aber heute bin ich (meistens ;) gelassener. Schopenhauer sei Dank.

Die Wahrheit bringt uns dazu gewohnte Komfortzonen zu verlassen und große Sprünge in der Entwicklung hinzulegen. Wenn wir uns trauen, mit Spott und beißender Ablehnung konfrontiert zu werden. Alles eine Frage des Übens. Und ja, ich tue es immer noch.

Bitte, bitte, teilt Schopenhauer mit euren Dreizehnjährigen! Vielen Dank :)


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